Zunächst ist es wichtig, zu wissen, ob die chronische Verstopfung durch eine Störung des Stuhltransports im Darm verursacht wird oder durch eine fehlerhafte Stuhlentleerung oder ggf. beides. Um die Therapie von chronischer Verstopfung zu planen, sollte der behandelnde Arzt nach dem von den Leitlinien empfohlenen Stufenschema vorgehen.
Das Stufenschema bei chronischer Verstopfung beginnt mit der Basistherapie. Dafür sollte zunächst die Lebensweise überprüft werden. Ballaststoffreiche Ernährung ist wichtig. Ballaststoffe sind z. B. in Vollkornprodukten, Obst und Gemüse enthalten. Wenn die Ballaststoffe negative Wirkungen wie Blähungen hervorrufen, kann man davon wieder Abstand nehmen. Man sollte außerdem auf eine ausreichende Trinkmenge achten, d. h. 1,5 bis zwei Liter am Tag. Noch mehr zu trinken hat laut Leitlinie keinen Behandlungseffekt und wird daher nicht empfohlen. Wichtig für die Verdauung ist auch regelmäßige Bewegung.
Wenn die Umstellung auf eine ballaststoffreiche Ernährung, ausreichende Trinkmenge und genug Bewegung (Stufe 1a) nicht den gewünschten Erfolg bringt, werden zusätzliche Ballaststoffe empfohlen (Stufe 1b). Zu diesen Ballaststoffen zählen z. B. Flohsamenschalen oder Weizenkleie.
Führt die Basistherapie nicht zum gewünschten Erfolg, kann sich die zweite Stufe der Therapie anschließen. Ab der zweite Stufe unterscheidet man die Form der Therapie danach, ob eine chronische Verstopfung mit oder ohne Entleerungsstörung vorliegt.
Nach der Umstellung auf eine ausreichende Trinkmenge, mehr Bewegung und eine vermehrte Aufnahme von Ballaststoffe können sog. Suppositorien, also Zäpfchen bei chronischer Verstopfung in Betracht kommen. Man kann diese Zäpfchen rektal (über den After) einführen und so den Stuhlgang auslösen. Wahlweise kann hier auch ein Miniklistier, also ein kleiner Einlauf, verabreicht werden. Es gibt wasserlösliche und fetthaltige Zäpfchen. Die fetthaltigen Zäpfchen erreichen ihre Schmelze nahe der Körpertemperatur. Die wasserlöslichen Zäpfchen hingegen werden nicht durch die Körpertemperatur aufgelöst, sondern durch das Wasser im Enddarm. So setzen sie Ihre Wirkstoffe frei. Das Ziel bei beiden Varianten ist es, den Stuhl weicher zu machen und so dafür zu sorgen, dass er leichter und ohne starkes Pressen ausgeschieden werden kann.
Wenn keine Entleerungsstörung vorliegt, werden bei der Therapie von chronischer Verstopfung in Stufe II abführende Medikamente verabreicht. Die Wirkstoffe der ersten Wahl sind Macrogol, Bisacodyl und Natriumpicosulfat. Wenn diese nicht den gewünschten Effekt bringen, kann man auf Wirkstoffe der zweiten Wahl zurückgreifen: Zuckerstoffe (Lactulose) oder Anthrachinone. Unter Umständen muss man das Medikament wechseln, die Stufen Ib und II kombinieren oder auch Wirkstoffe der Stufe II zusammenführen. In manchen Fällen helfen auch Klysmen (kleine Einläufe in den Darm) oder Suppositorien (Zäpfchen).
Wenn die Entleerungsstörung strukturell ist, also in der organischen Struktur begründet ist, kommt man unter Umständen um einen operativen Eingriff nicht herum. Bei einer funktionellen Entleerungsstörung ist die Struktur des Gewebes in Ordnung, aber es funktioniert nicht richtig. Dann kommt unter Umständen das Biofeedback infrage. Hierbei sollen körperliche Prozesse wie z. B. die Verdauung bzw. Entleerung, die eigentlich unbewusst ablaufen, mithilfe eines speziellen Programms wahrnehmbar und damit bewusst gemacht werden. Diese Therapie ist ähnlich einer Lern- oder Verhaltenstherapie.
Die Stufe III bei chronischer Verstopfung greift, wenn die bisherigen Maßnahmen keine Wirkung erzielt haben. Hier wird meist ein Prokinetikum verabreicht. Unter Umständen kann auch der Einsatz von Wasser- und Chlorid-Sekretions-Stimulatoren infrage kommen.
Hier wird eine kombinierte Therapie aus den Stufen I bis III erwogen. Ebenfalls können Klysmen oder eine Lavage (Spülung) angewandt werden. Wenn eine Opiat-Obstipation vorliegt, also eine durch bestimmte Schmerzmittel ausgelöste chronische Verstopfung, gibt man in der Regel Opiatantagonisten.
Als letztes therapeutisches Mittel bei einer chronischen Verstopfung ohne Entleerungsstörung gibt es die chirurgische Intervention. Eine Operation kommt nur in Betracht, wenn die konservative Therapie keine Besserung erzielen konnte. Es sollte eine klare Abwägung von Nutzen und Risiken erfolgen. Meist wird bei der chirurgischen Therapie eine subtotale Kolektomie vorgenommen, also eine teilwiese Entfernung des Dickdarms. Eine vollständige Entfernung des Dickdarms, also eine Kolonresektion, kommt bei chronischer Verstopfung nur in besonders schweren Fällen zum Einsatz. Ebenfalls kann in Stufe V eine Sakralnervenstimulation eingesetzt werden. Hierbei werden ein bis zwei Elektroden eingepflanzt, die mit elektronischen Impulsen den Schließmuskel steuern sollen.
Fedor Singer